zurück zu Fachbeiträgen

 

                  

Teure Dämmung lohnt oft nicht

 

Klimaschutz: Eigenheimbesitzer können bei Umbauten eine Ausnahmegenehmigung erwirken 

Von Richard Haimann

Dieser Artikel erschien in der Zeitung DIE WELT 20.03.2008  
 

Berlin - Eigenheimbesitzer müssen bei Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen nicht in jedem Fall die kostspieligen Dämmvorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) beachten. Wenn ein anerkannter Gutachter bescheinigt, dass die Kosten für die Energieeinsparmaßnahmen in keinem Verhältnis zum erwarteten Nutzen bestehen, sind die Grundeigentümer von den EnEV-Vorgaben befreit. "Das ist in der Regel immer der Fall, weil die zusätzliche Dämmung weit teurer kommt als die Heizenergieersparnis", sagt der EnEV-Sachverständige Konrad Fischer.

Nach der 2002 in Kraft getretenen EnEV sind Eigenheimbesitzer zu umfangreichen Dämm- und Dichtmaßnahmen verpflichtet, wenn sie bauliche Veränderungen vornehmen. Die Bundesregierung will so den Heizenergieverbrauch von Bestandsobjekten deutlich senken. Die EnEV-Vorgaben müssen deshalb immer dann berücksichtigt werden, wenn für eine bauliche Veränderung eine Baugenehmigung eingeholt werden muss. Das kann beim Anbau eines größeren Wintergartens oder dem Ausbau des Dachgeschoßes der Fall sein. Die Eigentümer müssen sich dann von anerkannten Sachverständigen wie Architekten oder Bauingenieuren bescheinigen lassen, dass ihr Vorhaben mit den Anforderungen der EnEV konform geht. Oftmals fordern die Gutachter dabei aufwendige Dämmmaßnahmen.

Deren Nutzen ist jedoch umstritten. Eine Reihe von Architekten und Baubiologen bezweifelt, dass derartige Maßnahmen sich für die Eigentümer rechnen. "Die Energieeinsparungen sind viel zu gering, um eine Amortisation der Investitionskosten sicherzustellen", sagt der ehemalige Nürnberger Hochbauamtschef Claus Meier.

Dieser Ansicht ist auch Energie-Berater Fischer. Die "wirtschaftliche Unsinnigkeit der Dämm- und Dichtvorgaben" macht der Bausachverständige aus Hochstadt am Main an einem Beispiel deutlich: Jüngst wurde er beauftragt, ein Gutachten für eine Erweiterungsmaßnahme an einem Einfamilienhaus aus den 70-er Jahren zu erstellen. "Die Modernisierung nach den EnEV-Vorgaben hätte die Eigentümer 24 000 Euro für Dämmmaßnahmen und weitere 35 000 Euro für neue Fenster gekostet", sagt Fischer. Mithin wären Gesamtkosten von 59 000 Euro angefallen. "Die Heizkostenersparnis hätte jedoch nur 1000 Euro pro Jahr betragen", sagt Fischer. Die Zinskosten für das nötige Hypothekendarlehen außer Acht gelassen, hätten sich die Investitionskosten für die Eigentümer erst nach 59 Jahren rentiert. Fischer hat zahlreiche Gutachten verfasst, die es Grundeigentümern ermöglichten, den EnEV-Vorgaben zu entgehen. Denn der Gesetzgeber hat in der Energieeinsparverordnung eine Härteklausel verankert. Danach sind Immobilienbesitzer bei baulichen Veränderungen von den Vorgaben der EnEV befreit, wenn ihnen ein Gutachter nachweist, dass die Erfüllung der Anforderungen "durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen".

Besonders einfach ist es für bayerische Grundeigentümer, den Auflagen zu entgehen. Dort genügt es, wenn ein Architekt oder Bauingenieur den Immobilienbesitzern bescheinigt, dass die Einhaltung der EnEV-Vorschriften zu "unbilliger Härte" führen würde. Ein rechnerischer Nachweis muss dabei nicht vom Gutachter erbracht werden.

Nach Meinung der EnEV-Kritiker sind die Dämm- und Dichtmaßnahmen obendrein höchst gefährlich. "Durch die Vorgaben der EnEV werden die Häuser so luftdicht gedämmt, dass die Feuchtigkeit in den Räumen gefangen bleibt und sich Schimmelpilze bilden", warnt der Architekt und Baubiologe Klaus Aggen. Das bestätigt auch das Umweltbundesamt: "Erhöhte Konzentrationen flüchtiger organischer Verbindungen und Schimmelpilzwachstum auf feuchten Wänden können die Folge sein und gesundheitliche Folgen mit sich bringen."